Erbrecht

Nach Schätzungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) werden in Deutschland in den Jahren 2012 bis 2027 bis zu 400 Milliarden Euro jährlich vererbt. Problemlos zu vererben oder zu erben ist jedoch oftmals nicht ganz einfach und bedarf einer gründlichen individuellen Beratung durch einen Experten, denn das deutsche Erbrecht bietet aufgrund seiner Komplexität viele Tücken und Fallstricke, die den Erbfall schnell zum Auslöser großer Streitigkeiten machen können. Für den Vererbenden den sogenannten Erblasser gibt es eine Vielzahl von Vorschriften zu beachten, um das Erbe wie gewollt zu verteilen und Streitigkeiten vorzubeugen. Aber auch für die testamentarisch eingesetzten Erben oder durch Testament von der Erbfolge ausgeschlossene Verwandte, gibt es vielfältige Reaktionsmöglichkeiten wenn eine Person verstirbt und der Erbfall eintritt.

Überblick

Erbe kann in Deutschland werden, wer in einem Testament von der verstorbenen Person als Erbe eingesetzt wurde. Falls kein Testament oder eine sonstige letztwillige Verfügung errichtet wurde, richtet sich die Frage nach dem/den Erben nach der gesetzlichen Erbfolge. Grundsätzlich tritt ein Erbe (egal ob testamentarischer oder gesetzlicher Erbe) mit dem Tod des Erblassers in dessen Rechte und Pflichten ein. Dieses Prinzip nennt sich Gesamtrechtsnachfolge (auch: Universalsukzession) und ist in § 1922 BGB geregelt. Für den Erben besteht jedoch die Möglichkeit, das Erbe auszuschlagen und somit nicht Gesamtrechtsnachfolger des Erblassers zu werden. Als Legitimation für den Rechtsverkehr kann ein Erbe sich vom Nachlassgericht einen Erbschein ausstellen lassen, der den Erbteil ausweist.

Erbfolge

Unterscheiden muss man zwischen der Erbeinsetzung durch letztwillige Verfügung und der gesetzlichen Erbfolge, falls keine letztwillige Verfügung existiert. Hat der Verstorbene seinen Nachlass also in keiner Weise geregelt, muss das Gesetz zur Ermittlung des/der Erben herangezogen werden. Als gesetzliche Erben kommen der überlebende Ehegatte oder eingetragene Lebenspartner in Betracht, sowie Verwandte. Die Verwandten sind hierbei in Ordnungen eingeteilt, die sich nach dem Grad der Verwandtschaft ermitteln. Hier sind insbesondere drei Ordnungen wichtig: zur ersten Ordnung gehören die Kinder und die Enkelkinder des Erblassers. Zur zweiten Ordnung zählen die Eltern des Erblassers sowie dessen Geschwister, Nichten und Neffen. Ferner sind auch geschiedene Elternteile der verstorbenen Person Erben zweiter Ordnung. Zur dritten Ordnung gehören die Großeltern des Erblassers, sowie dessen Onkel, Tanten, Cousins und Cousinen. Hierbei gilt zu beachten, dass ein Erbe einer vorherigen Ordnung einen Erben einer nachgeordneten Ordnung von der Erbfolge ausschließt. Lebt also ein Kind des Erblassers zum Zeitpunkt des Erbfalls, also ein Erbe der ersten Ordnung, erben die Eltern als Erben der zweiten Ordnung nach der gesetzlichen Erbfolge nicht. Auch die Geschwister des Erblassers, die ebenfalls nur Erben zweiter Ordnung sind, würden in diesem Fall leer ausgehen. Zu beachten ist hierbei noch folgendes: innerhalb einer Ordnung, gilt das Repräsentationsprinzip, was bedeutet, dass innerhalb der jeweiligen Ordnung derjenige erbt, der den jeweiligen Stamm repräsentiert, also von dem die weiteren Personen abstammen. Beispiel: lebt zum Zeitpunkt des Erbfalls das Kind des Erblassers noch, erbt dessen Kind, das Enkelkind des Verstorbenen nichts, sondern nur das Kind des Verstorbenen wird Erbe. Weiter ist hier noch das sogenannte Eintrittsprinzip zu beachten. Hiernach tritt der Nachkomme eines bereits vorverstorbenen Verwandten an dessen Stelle. Das bedeutet, dass wenn ein Kind des Erblassers bereits vor diesem verstorben ist, den Kindern des Vorverstorbenen dessen Anteil am Erbe zufällt. Neben den Verwandten erbt jedoch nach dem Gesetz auch der überlebende Ehegatte. Dieser erbt neben Verwandten der ersten Ordnung zu einem Viertel und neben Verwandten der zweiten Ordnung und Großeltern zur Hälfte.

Testamentsarten

Eine letztwillige Verfügung kann in Form eines (Einzel-)Testaments, eines Erbvertrags oder eines gemeinschaftlichen Testaments errichtet werden. Ein Testament kann grundsätzlich ab dem 16. Lebensjahr errichtet werden. Bis zur Volljährigkeit ist jedoch nur ein notarielles Testament möglich. Zu beachten ist bei der Errichtung eines Testaments insbesondere, dass dieses persönlich errichtet werden muss und sofern es ohne Hilfe eines Notars errichtet werden soll, eigenhändig geschrieben und unterschrieben sein muss. Ferner sollten Zeit und Ort der Errichtung angegeben werden, um spätere Unklarheiten zu vermeiden. Ein Erbvertrag ist eine besondere Form der letztwilligen Verfügung und stellt einen Vertrag dar, der für seine Wirksamkeit vor einem Notar bei gleichzeitiger Anwesenheit aller Vertragspartner geschlossen werden muss. Das Besondere am Erbvertrag ist dessen Bindungswirkung. Die vertragsmäßigen Verfügungen binden den Erblasser und lassen spätere, den im Erbvertrag geregelten Verfügungen widersprechende letztwillige Verfügungen wirkungslos werden. Das gemeinschaftliche Testament ist eine besondere Testamentsart für Ehegatten und eingetragene Lebenspartner. Dieses kann im Vergleich zum Erbvertrag notariell beurkundet werden, bedarf eine notarielle Beurkundung aber nicht für seine Wirksamkeit. Für das gemeinschaftliche Testament gelten zum Großteil die gleichen Vorschriften wie für die Errichtung eines Einzeltestaments, jedoch mit einigen Besonderheiten. Eine besondere Art des gemeinschaftlichen Testaments ist das sogenannte „Berliner Testament“. Hierbei setzen sich Ehegatten gegenseitig als Erben ein und einen Dritten als Erben des Letztversterbenden. Besonderheit eines gemeinschaftlichen Testaments ist, dass dort sogenannte wechselbezügliche Verfügungen getroffen werden können, die ähnlich wie beim Erbvertrag eine gewisse Bindungswirkung entfalten können.


Häufige Fehlerquellen
Bei der Errichtung eines Testaments können bereits kleine Fehler eine große ungewollte Wirkung auslösen. In vielen Fällen lassen sich etwaige böse Überraschungen und Streitigkeiten über den Nachlass vorbeugen, die aus vermeidbaren Fehlern bei Testamentserrichtung resultieren.

1. Unklare Formulierungen
Da bei Eintritt des Erbfalls der Erblasser nicht mehr zu seinen genauen Intentionen einzelner Passagen eines Testaments befragt werden kann, muss im Streitfall das Testament durch das Gericht ausgelegt werden. Hierbei kann es dazu kommen, dass das Gericht trotz umfassender Erforschung des tatsächlichen Willens des Verstorbenen, nicht das von diesem tatsächlich Gewollte auslegt. Dies lässt sich durch eine präzise Formulierung der letztwilligen Verfügung vermeiden, die durch Eindeutigkeit keine anderweitige Auslegung zulässt.

2. Datum fehlt
Ein weiterer häufiger Fehler ist, dass im Laufe des Lebens mehrere Testamente die sich gegenseitig widersprechen angefertigt werden, es aber versäumt wird, das Datum und gegebenenfalls den Ort der Errichtung zu vermerken. Dadurch kann es im Streitfall wieder dazu kommen, dass nicht der tatsächliche aktuellste Wille des Verstorbenen zum Tragen kommt, weil ein älteres Testament für das Neueste gehalten wird.

3. Nachträgliche Ergänzungen
Ein weiterer häufiger Fehler ist, dass nachträglich noch weitere Ergänzungen auf dem Testament vorgenommen werden, diese aber nicht mehr separat unterschrieben werden. Grundsätzlich gilt, dass die Unterschrift wie das Wort bereit erahnen lässt, unter die Schrift gesetzt werden muss. Nachträgliche Ergänzungen unter der Unterschrift, laufen daher Gefahr unberücksichtigt zu bleiben.
Dies ist aber nur ein kleiner Blick auf mögliche Fehler die bei der Errichtung eines Testaments gemacht werden können. Die möglichen Fehlerquellen sind nahezu unbegrenzt und für einen juristischen Laien nicht zu überschauen. Um böse Überraschungen zu vermeiden, ist es daher in jedem Fall ratsam im Rahmen der Formulierung einer letztwilligen Verfügung einen Fachanwalt für Erbrecht zu konsultieren, der über mögliche Fehlerquellen aufklärt und Ihnen zur eindeutigen und unmissverständlichen Darstellung Ihres letzten Willens verhilft.

Möglichkeiten des Erben

Als testamentarisch eingesetzter Erbe oder auch als Erbe nach der gesetzlichen Erbfolge kann man innerhalb von sechs Wochen nachdem man von seiner Erbenstellung Kenntnis erlangt hat, die Erbschaft gegenüber dem Nachlassgericht ausschlagen. Dann steht dem Ausschlagenden grundsätzlich aber auch kein Pflichtteil zu. Nur ausnahmsweise wenn der Nachlass durch den Erblasser durch die Anordnung eines Vermächtnisses oder auch einer Auflage beschwert wurde, kann der Ausschlagende noch den Pflichtteil verlangen. Nimmt der Erbe die Erbschaft an, tritt er in alle Rechte und Pflichten des Verstorbenen ein und haftet grundsätzlich auch für dessen Verbindlichkeiten. Er kann jedoch die gesetzlich gewährte Dreimonatseinrede erheben und sich so zumindest zeitlich etwas Puffer zum Erfüllen der Verbindlichkeiten verschaffen.

Möglichkeiten des Enterbten

Dem durch Testament Enterbten Abkömmling des Erblassers steht ein Anspruch auf einen Pflichtteil zu. Dieser beträgt die Hälfte des Erbteils, der diesem bei der gesetzlichen Erbfolge zustehen würde. Dem Enterbten steht darüber hinaus auch die Möglichkeit der Anfechtung des Testaments zu. Sollte ein gesetzlich geregelter Anfechtungsgrund wie zum Beispiel Irrtum oder Drohung bei Errichtung vorgelegen haben, beziehungsweise zu dieser geführt haben, kann der angefochtene Teil oder in Extremfällen auch das gesamte Testament hinfällig sein und dem Enterbten möglicherweise doch noch ein höherer Erbteil zukommen.
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